Das Singen der männlichen Bevölkerung in Wehen hat eine lange, bewegte Tradition. Erste Aufzeichnungen zu diesem Thema lassen sich aus alten Wehener Gemeindeakten lesen. Zitat: Auf Herrn Lehrer Schauss folgte in Wehen von 1840 bis 1844 der Lehrer Johann Heinrich Peter Schneider. Er trat seine Stelle am 1. Juli 1840 an. Kaum war er da, errichtete er auch schon die Wehener Singschule für erwachsene Männer und Burschen. Die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zeit der Sängerbewegung. Es ist zwar nicht belegt, die Vermutung aber naheliegend, dass 1856 aus der erwähnten Singschule die älteste Wurzel des MGV Wehen entstand: der Gesangverein Teutonia.
Dem damaligen patriotischen Zeitempfinden gemäß besang man voller Stolz die deutsche Heimat, Ehre und Treue, die Jagd, den Wald, den Rhein und natürlich auch die Liebe. Kunstlieder wurden kaum geübt, da diese in der breiten Öffentlichkeit auf wenig Resonanz stießen. Es herrschte ein froher Sangesgeist, geprägt von den Begriffen Einigkeit und Sinn für Gemeinschaft, Lokal- und Landespatriotismus, Frömmigkeit und Gottesfurcht und nicht zuletzt der Lust und Liebe zum deutschen Männergesang. Im 25. Jahr nach der Gründung bekam der GV Teutonia die erste Vereinsfahne. Am Fahnenweihfest im Juli 1881 unter den 500 Jahre alten Linden, dem heutigen Marktplatz, beteiligten sich neben der Ortsbevölkerung auch alle Vereine des Wehener Grundes. Die Symbolkraft dieser Fahne stärkte den Verein und wirkt sogar noch bis in die heutige Zeit. 1906, zum 50jährigen Jubiläum wurde sie wegen fortgeschrittenen Zerfalls durch eine neue Fahne ersetzt, die dann, im Gegensatz zu den Vereinsakten, sogar das Kriegsende 1945 überdauerte. Diese zweite Fahne wurde 1981 konserviert und dem Museum im Wehener Schloss als Dauerleihgabe überlassen. Gleichzeitig wurde die dritte Fahne anlässlich des 125-jährigen Jubiläums geweiht, die auch noch heute Symbol bei wichtigen Veranstaltungen des Vereins und bei Bestattungen verstorbener Mitglieder ist.
Der GV Teutonia hatte nicht das Bestreben in Wettstreiten mit anderen Vereinen sein Können unter Beweis zu stellen. Man war zufrieden, wenn man mit Liedvorträgen etwas zum kulturellen und geselligen Leben in Wehen beitragen konnte. Hauptanlass hierzu bot das jährlich stattfindende Weihnachtskonzert, wo neben den gesanglichen Darbietungen auch Theaterstücke zur Aufführung kamen. Diese Veranstaltungen waren gut besucht und fanden in der Gemeinde allgemeinen, auch den Verein fördernden Anklang. Die insgesamt als konservativ zu bezeichnende und mehr auf Geselligkeit bedachte Einstellung brachte die ersten dauerhaften Spannungen in die Sängerfamilie in Wehen. In Deutschland erstarkte die Sängerbewegung und dies führte zu immer mehr Sängerfesten, bei denen sich die teilnehmenden Vereine in ihrer Leistungsfähigkeit maßen.
1910 gründete eine kleine Gruppe von leistungswilligen und guten Sängern das Sängerquartett Frisch Auf mit dem Ziel, an diesen Wettsingen teilzunehmen. Wegen Einberufung der jungen Sänger zu Beginn des 1. Weltkriegs ruhte der Probenbetrieb sehr lange und erst 1925 stellten sich die ersten Erfolge ein.
Bis zur Machtergreifung Hitlers zeigte der aus ca. 25-30 Mann bestehende Quartettverein dann auch hervorragende und kontinuierliche Leistungen. Jedes Jahr wurde an einem Wettstreit in der damals doch recht weiten Umgebung, wie z.B. Caub oder Marienberg/WW, teilgenommen. In der Regel wurde ein erster oder zweiter Preis im Klassen- und Ehrensingen mit nach Hause gebracht. Die einzige große Veranstaltung des Vereins fand 1930 anlässlich des 20jährigen Stiftungsfests statt. Sicherlich wurde auch vereinsintern die Geselligkeit zu allen möglichen Anlässen gepflegt, Hauptziel war aber eindeutig die sängerische Leistung. In dieser Gruppierung hat der MGV 1856 Wehen e.V. seine zweite, leistungsorientierte Wurzel.
In den noch vorhandenen Protokollbüchern des Turnvereins Wehen findet man auch Passagen, in denen ab dem Jahr 1913 von einer Gesangsriege die Rede ist. Zitat: Das Singen in dieser Riege war nach außen bekannt und galt der Pflege des Deutschen Liedes. Der Dirigent wurde aus der Vereinskasse des Turnvereins bezahlt. Die Stärke der Sängerriege wird mit 40 Mann angegeben. Nur so viel steht fest: die Sangesriege wurde um die Jahrhundertwende gegründet und ruhte, wie auch der Turnbetrieb, während des 1. Weltkriegs. Nach dem Krieg wurde sie, bei Wiederaufnahme des Turnbetriebes, nicht mehr aktiviert. Die Gründe hierfür lagen vermutlich in dem sich abzeichnenden Überangebot an Möglichkeiten. Die nach dem 1. Weltkrieg auftretende politische Polarisierung der Gesellschaft war auch innerhalb der Sängerschaft in Wehen zu spüren. 1919 wurde in Wehen ein SPD-Ortsverein gegründet und in Folge 1920 auch ein Arbeitergesangverein. Zu seiner Gründung erschienen ca. 35 Männer und man wählte den Namen Arbeitergesangverein, später mit dem Zusatz Liederkranz. Er ist die dritte Wurzel des heutigen Männergesangvereins 1856 Wehen e.V. Anfänglich muss die Resonanz innerhalb der Bevölkerung recht groß gewesen sein. So berichtete der Aar-Bote 1921 von 80 Mitgliedern. Das vorhandene Protokollbuch zeigt aber schon 1927 interne Diskussionen über Interesselosigkeit und entsprechende Beschwerden des Dirigenten. Die erste, in diesem Buch dokumentierte Mitgliederversammlung war am 24. September 1927 und wurde von nur 26 aktiven Sängern besucht. Die mangelnde Resonanz führte bei der Mitgliederversammlung am 27. Juli 1929 zur Gründung eines gemischten Chors, um so den Verfall aufzuhalten. Wie in der konservativen Teutonia pflegte man beim Liederkranz im wesentlichen die Geselligkeit bei Volksfesten, Maskenbällen usw., veranstaltete örtliche Konzerte und besuchte benachbarte Arbeitergesangvereine bei deren Konzerten. Eventuell anfallende Fahrtkosten wurden dabei in der Regel vom Verein übernommen. Im Juni 1930 feierte man das zehnjährige Bestehen mit einem Fackelzug und einem Tanzabend.
So hatte die etwa 1100 Einwohner zählende Gemeinde Wehen in den dreißiger Jahren drei, teilweise untereinander zerstrittene, Männergesangvereine, einen bürgerlich-konservativen, einen sozialistischen und einen leistungsorientierten, die alle um ca. 120 aktive Sänger des Ortes buhlten. Diese Situation führte schon 1928 zu einem vom Quartettverein Frisch Auf eingeleiteten Vereinigungsversuch, der im Protokoll der Mitgliederversammlung des AGV Liederkranz vom 25. August 1928 dokumentiert ist. Die Anwesenden stimmten mit überwältigender Mehrheit einer Vereinigung zu, forderten aber, dass der neue Verein dem Arbeitersangesbund angehören und den Namen Arbeitersängervereinigung führen sollte. Das eine solch kompromisslose Antwort nicht zum Erfolg führte, erklärt sich in dem damaligen Umfeld von selbst.
1933 kam es unter der NS-Herrschaft zu einer Zwangsvereinigung aller drei Vereine. Der Autor der Chronik Wehen und sein Grund und erster Wehener Ehrenbürger, Dr. Eduard Wilhelmi, schreibt hierzu in der Festschrift anlässlich des 100jährigen Jubiläums 1956 noch vorsichtig formuliert (Zitat): Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn der Gedanke, daß Einigkeit stark macht, dazu führte, die drei Vereine zu einem großen, schlagkräftigen Verein zusammenzuschließen. Es war nur die Frage, welcher Verein die Fusion vornehmen und welche zwei Vereine eingeschmolzen werden sollten. Der älteste Verein war die Teutonia. Sie hatte die älteste Tradition und war seit 1881 durch eine Vereinsfahne fest verbunden. Diese beiden Bindeglieder -Fahne und Tradition – fehlten den beiden anderen. Für die damaligen Machthaber war die Sache eindeutig zu regeln. Man schloss sich der symbolträchtigen Tradition der Teutonia an und nannte – wohl um den Neubeginn zu charakterisieren – die drei zusammengeführten Vereine Männergesangverein 1856 Wehen.
Leider sind alle Niederschriften aus dem Protokollbuch, beginnend mit der Verschmelzung 1933 bis zum Ende des Dritten Reiches, verloren gegangen. Sie sind, aus welchen Gründen auch immer, aus dem Buch sauber und ordentlich herausgetrennt und wahrscheinlich vernichtet worden. Deshalb können hier leider nur wenig Aussagen über die in diesem Zeitraum stattgefundenen sängerischen Aktivitäten gemacht werden. Allerdings ist die Heb-Liste und das Kassenbuch des MGV 1856, beginnend mit dem Jahr 1934, noch vorhanden. Aus diesen Dokumenten kann man wenigstens einige statistische Zahlen entnehmen. Zu Beginn des Jahres 1934 wurden in dem zusammengeschlossenen Verein nur noch 74 aktive Mitglieder geführt. Geht man von ca. 120 aktiven Sängern im Jahr 1930 aus, so sieht man, dass die Zwangsvereinigung nicht von jedem akzeptiert wurde. Hierfür spricht auch der im Laufe des Jahres 1934 dokumentierte Austritt von 22 weiteren Mitgliedern, vom Stand meist Arbeiter. Das Kassenbuch verzeichnet für 1939 insgesamt nur noch 55 Mitglieder. Die Anzahl der aktiven Sänger ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Während des zweiten Weltkriegs ruhte das Vereinsleben fast vollständig, viele der Aktiven waren im Krieg. Nur bei Beerdigungen gaben die in der Heimat verbliebenen Sänger verstorbenen Mitgliedern das letzte Geleit.
Auch nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs im Mai 1945 gab es auf Anordnung der alliierten Siegermächte noch kein Sangesleben. Erst 1949 wurde vom Landrat des Untertaunuskreises eine Genehmigung zur Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit erteilt. Die Initiative hierzu kam vom damaligen Wehener Bürgermeister Willi Blum und einigen Sängern des ehemaligen Arbeitergesangvereins, der ja stark von der Sozialdemokratie geprägt und somit unverdächtig war. Es ist sicherlich für jeden nachvollziehbar, dass sich in dieser Zeit die ehemaligen Funktionäre und Mitglieder der Nationalsozialisten unter der Sängerschaft sehr bedeckt hielten. Bemerkenswert ist – gerade aus Sicht der heutigen Zeit – das in der Lizenz vom 5. April 1949 von Landrat Dr. Vitense formulierte Tätigkeitsgebiet:
Die Aufgabe des Vereins ist die Pflege des Chorgesangs. Er wird das Vertrauen, das ihm geschenkt ist, durch offene Haltung rechtfertigen und für körperliche, geistige und sittliche Erziehung seiner Mitglieder Sorge tragen. So werden diese politisch und weltanschaulich duldsam, frei von sozialem Vorurteil und rassischem Wahn, unbeschwert von Drill und Uniform, ihr Vereinsleben in Kameradschaft und Hilfsbereitschaft entfalten.
Getreu dieser Leitlinie wurde dann der MGV bis in die heutige Zeit geführt. Der Nachkriegsvorstand nutzte den Neubeginn und schuf durch integratives Wirken sowie die konsequente Verbannung der Politik aus dem Vereinsleben das, was 1933 erstmals versucht wurde: die Zusammenführung der drei Wurzeln zu einem Verein. Neben der Tradition der Teutonia, der Leistungsbereitschaft des Sängerquartetts Frisch Auf wurden auch die demokratischen und sozialen Prinzipien des AGV Liederkranz zu Leitlinien der Vereinspolitik. Alle wichtigen Entscheidungen wurden in Mitgliederversammlungen getroffen. Der Erfolg stellte sich langsam, aber sicher ein. Die Heb-Liste der Beiträge verzeichnet am Ende des Jahres 1949 wieder 121 und 1956 134 Mitglieder, darunter 39 aktive Sänger.
Bis 1956 hatte sich ein reges Vereinsleben entwickelt. Die Teilnahme an und die Abwicklung von Liedertagen, Freundschaftssingen in der näheren Umgebung, Maskenbälle und selbstverständlich die traditionelle Weihnachtsfeier standen auf den Jahresprogrammen. Für die älteren Mitbürger wurde erstmals 1955 am 3. Advent ein fröhlicher Nachmittag bei Kaffee und Kuchen sowie Gesang und Humor veranstaltet. Diese Art der Veranstaltung findet ja noch heute, insbesondere bei den politischen Parteien, ihre Nachahmer. Erster Höhepunkt in dieser Zeit war 1950 der Besuch des MGV Eintracht Landhausen bei Iserlohn in Wehen. Die befreundeten Sänger wurden alle für drei Tage in Gastfamilien untergebracht und verköstigt. Es wurde ein gemeinsamer Liederabend veranstaltet. Im Juli 1951 organisierte man einen Gegenbesuch, an dem genau 100 Personen, transportiert von drei Bussen, teilnahmen. Auch hier wurde die Sängerfamilie aus Wehen für drei Tage privat untergebracht und verköstigt und man veranstaltete ein gemeinsames Konzert. Die Fahrtkosten für die ca. 50 aktiven Sänger (16 DM / Person !) wurden vom Verein übernommen. Die Kontakte zu den Landhausener Sängern waren so gut, dass man 1954 einen gemeinsamen Familienausflug nach Niederdollendorf am Rhein organisierte.
Das 100jährige Jubiläum an Pfingsten 1956 war die erste große und erfolgreiche Sängerveranstaltung mit einem Festkommers am Samstag, einem Freundschaftssingen am Sonntag und dem Gietz´schen Liedertag am Montag. Neben den befreundeten Chören aus den Nachbargemeinden konnte der Verein auch einen Chor aus Essen und den schon erwähnten Chor aus Landhausen begrüßen. Schirmherr der Veranstaltung war der hessische Innenminister Heinrich Schneider. 1957 wurde dem Verein vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss die Zelter-Plakette verliehen, eine hohe Auszeichnung für (Zitat der Urkunde) die im langjährigen Wirken erworbenen Verdienste um die Pflege der Chormusik und des deutschen Volkslieds. Pfingsten 1961 wurde das 105jährige Stiftungsfest auf dem Marktplatz mit einem großen Freundschaftssingen begangen. Höhepunkt in dieser Zeit war der Auftritt im Hessischen Rundfunk am 5. Mai 1962.
1963 kam es erstmals zu größeren Spannungen im Verein. Sie entzündeten sich an den Ehrungen verschiedener Mitglieder. Die Kernfrage hierbei war: Sind Ausfallzeiten im Zeitraum von 1933 bis 1949, die nicht durch Kriegsteilnahme und Gefangenschaft verursacht waren, als Ersatzzeiten für aktives Singen anzuerkennen? Die Streitigkeiten wurden bis zum hessischen Sängerbund getragen, konnten aber nicht geschlichtet werden. Die Polarisierung innerhalb der Sängerschaft war so groß, dass es zu teilweise sehr persönlichen Angriffen kam und ein Auseinanderbrechen drohte. Erst als einer der betroffenen Sänger seine Ehrungen zurückgab, beruhigte sich die Lage und die Sangesarbeit wurde erfolgreich weitergeführt.
Die Anzahl der Mitglieder des Vereins war bis 1966 auf ca. 290 Personen angestiegen, wovon zeitweise bis zu 66 Männer aktiv im Chor mitsangen. Pfingsten 1966 feierte man wieder mit zahlreichen Gastchören über drei Tage das 110jährige Jubiläum. Als Rahmenprogramm für die Bevölkerung gab es einen Umzug und erstmals einen großen Bunten Abend mit professionellen Künstlern. Ende der sechziger Jahre bildete sich unter den aktiven Sängern ein Kleiner Chor und eine Rhythmusgruppe, die modernere Chormusik sangen bzw. zu geselligen Veranstaltungen mit gekonnten Darbietungen auftraten.
Ab 1970 gab es dann einen Wechsel in der Vorstandsspitze und mehrere in der Chorleitung, die für den Verein eine neue, über zwanzig Jahre andauernde, Ära des Erfolges brachte. Vom neuen Vorstand wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die dem Verein eine dauerhafte Bleibe sicherten. Bis 1972 probte man in den Sälen der örtlichen Gasthäuser. 1973 nutze man erstmals einen Raum im neugebauten Kindergarten Wehen, der für die Proben fest reserviert war. Für das leibliche Wohl sorgt seitdem eine in Eigenregie betriebene Bewirtung, die inzwischen ein wesentliches Element der Vereinsfinanzierung bildet. Seit Fertigstellung der Silberbachhalle im Jahre 1984 hat der Verein dort sein Domizil. Ein eigenes Vereinszimmer und eine feste Reservierung des Versammlungsraums für die Proben am Mittwoch und Freitag wurden von den örtlichen Behörden auf Dauer zugesagt. Beides, eine feste Bleibe und die Eigenbewirtung, bilden eine gute Grundlage für das weitere Bestehen des Vereins.
Die sich ab 1979 einstellenden sängerischen Erfolge knüpften an die des Quartettvereins an. Vorstand und Chorleiter arbeiteten leistungsorientiert und machten den Verein weit über die Grenzen der Umgebung bekannt. Im Hessischen Rundfunk wurden zwei Sendungen unter Beteiligung des Chores gestaltet und mehrere Schallplatten aufgenommen. Der Verein wuchs, bedingt durch die guten Erfolge, auf über 300 Mitglieder und von ca. 50 (1971) bis auf nahezu 80 (1984) aktive Sänger.
Seit 1984, dem Einweihungsjahr der Silberbachhalle, veranstaltet der Verein jährlich ein anspruchsvolles Konzert, zusammen mit einem leistungsfähigen Gastchor, Orchester oder professionellen Künstlern. Der Schwerpunkt der sängerischen Arbeit verlagerte sich somit von der Wettstreitliteratur in Richtung auf die Konzertliteratur. Der Chor beherrscht inzwischen so ziemlich alle bekannten Männerchöre aus den Opern der verschiedensten Komponisten. Die Konzerte werden von der Bevölkerung viel beachtet und sind zu einem festen Bestandteil im kulturellen Leben der Stadt Taunusstein geworden.
Eine vereinseigene Zeitung mit dem Titel Die Stimmgabel wurde 1986 erstmals herausgegeben, die seitdem zweimal im Jahr erscheint und alle Mitglieder über das aktuelle Geschehen im Verein informiert. Daneben feierte man 1986 und 1991 die im Fünfjahresraster stattfindenden Geburtstagsjubiläen und folgte zahlreichen Einladungen zur aktiven Mitgestaltung von Freundschaftssingen und Konzerten in der Region.
Ein weiterer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte wurde die Reise im Mai 1987 nach Yeovil in Südengland, der Partnerstadt Taunussteins. Über fünfzig Vereinsmitglieder kamen per Flugzeug zu den Verschwisterungsfeierlichkeiten. Der Chor umrahmte musikalisch den Festakt und veranstaltete ein Abendkonzert. Die meisten Sänger wurden in Familien untergebracht, woraus sich vielfach freundschaftliche Beziehungen entwickelt haben. Inzwischen kam es bereits mehrfach zu wechselseitigen Besuchen und 1992 zu einem erneuten Auftritt der Sänger in Yeovil. Aufgrund der sängerischen Erfolge und der guten Resonanz in der Bevölkerung auf die sonstigen Aktivitäten konstituierte sich 1987 ein Förderverein, der den Chor insbesondere finanziell unterstützt. So wurden unter anderem die Anschaffung eines neuen Konzertflügels, eines neuen Probenklaviers und einer neuen einheitlichen Kleidung der Sänger erheblich bezuschusst.
In der Jahreshauptversammlung 1992 wurde eine neue Vereinsspitze gewählt. Werner Kaltwasser übergab geordnet und geplant die Führung nach 22 Jahren überaus erfolgreicher Vereinsarbeit an Kurt Klöckner. Kaltwassers bemerkenswertes Engagement wurde von der Versammlung mit der Ernennung zum Ehrenvorsitzenden gewürdigt. An dieser Stelle sei auch erwähnt, das ihm 2005 zur Anerkennung seines jahrelangen ehrenamtlichen Engagements, unter anderem auch für das beim MGV 1856 Wehen e.V., das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde.
Mit Unterstützung des Fördervereins stellte man sich den Aufgaben der Zukunft. In der Probenarbeit wurde parallel zur Konzertliteratur ein neuer Leistungschor mit hohem Schwierigkeitsgrad eingeübt. Der Männerchor wagte sich nach über 10jähriger Pause wieder auf die Wettkampfbühne und hatte in den Folgejahren auch durchweg gute Erfolge. Hinzu kamen intensive Vorbereitungen zur Gründung eines Nachwuchschores. Im April 1995 wurde der Kinder- und Jugendchor unter dem Namen Silberbachspatzen gegründet. Gute Vorbereitung und eine professionelle Chorleitung sicherten von Beginn an den Erfolg.
Der Verein hatte im Festjahr 1996 340 Mitglieder, einen Männerchor und einen Nachwuchschor, zusammen waren es über 110 aktive Stimmen. Zum 140jährigen Jubiläum wurde neben Freundschaftssingen und einem Chorkonzert auch ein erfolgreicher Chorwettbewerb veranstaltet.
In den folgenden Jahren bis 2001 wurden die Aktivitäten dann stark auf die sängerische Zukunftssicherung des Vereins ausgerichtet. Der Kinderchor wurde in zwei altersgerechte Gruppen aufgeteilt, die getrennt probten und gemeinsam bei vielen Veranstaltungen erfolgreich auftraten. Die Silberbachspatzen wurden zu einer stabilen, allseits akzeptierten Einrichtung im Verein.
Nach dem 145jährigen Jubiläum in 2001, das mit drei Freundschaftssingen, der Aufführung des Kinder-Musicals Wir bauen Europa sowie einem Chor- und Orchesterkonzert begangen wurde, zeichnete sich dann eine weitere Entwicklung ab: aus singenden Mädchen wurden singende Frauen und Kinder haben interessierte Mütter! Anfang 2002 wurde in Folge der Frauenchor CantaMiss gegründet, eine weitere Investition in die Zukunft des Vereins. Im gleichen Jahr gab Kurt Klöckner dann den Vereinsvorsitz nach 10 Jahren ab. Er wurde – wie sein Vorgänger Werner Kaltwasser – aufgrund seiner Verdienste um die Neuorientierung des Vereins von den Mitgliedern zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Auch wenn der Name MGV 1856 Wehen e.V. nur Männer vermuten lässt, so beherbergt er heute drei eigenständige Chöre unter einem Dach Der Verein hat heute bei 272 Mitgliedern 84 aktive Sängerinnen und Sänger und nimmt somit in der Region immer noch eine herausragende Stellung ein. Die Vorstandsstruktur wurde in 2003 der neuen Situation angepasst. Die Chöre sind mit Abteilungsleitern im geschäftsführenden Vorstand gleichberechtigt und verantwortlich vertreten und das „weibliche Element“ in der Führung belebt die Vorstandsarbeit deutlich.
Es gibt noch drei weitere Chöre im Ort, den Frauenchor Wehen e.V. und zwei Kirchenchöre. Dies zeigt, das Singen in Wehen einen beachtenswerten Stellenwert hat. Sicherlich haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland nicht gerade günstig für die Sängerbewegung entwickelt. Kaum mehr aktives Singen in Schule und Familie, Zwang zur Mobilität, Überangebot an Freizeitmöglichkeiten und passiver Musikkonsum seien hier stellvertretend genannt. In diesem Spannungsfeld stehen alle Vereine.
Durch Ausarbeiten attraktiver Angebote für Jung und Alt kann man entsprechend entgegenwirken. Es muss, gerade für junge Sängerinnen und Sänger, bei entsprechender Literaturauswahl das richtige Mittel aus Leistung, populärer Musik und Geselligkeit gefunden werden. Nur so wird es in Wehen auch weiterhin eine erfolgreiche Sängerbewegung geben.
Text von Udo Petri